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Eine Kurzgeschichte zwischendurch

Ich habe bei der Suche nach einer Blogparade einen Aufruf zur Erstellung einer Kurzgeschichte mit vorgegebenem Titel gefunden. Es geht um die vierte Clue Writing Challenge, bei der ich mit dieser Kurzgeschichte teilnehmen möchte. Passt zwar nicht wirklich in mein Blog, aber ich schreibe gern, also warum nicht. Los gehts.

Biedermann und die Brandmelder

 

Torsten Biedermann, braver Familienvater und erfolgreicher Karrieremensch war ein Vorzeigeobjekt von einem Mann. Stattlich mit breiten Schultern und muskulösem Körper beeindruckte er im Maßanzug und auch in der Jogginghose gleichermaßen. Seine stahlblauen Augen, die im Widerspruch zu seinem tiefschwarzen Haar standen, konnten Gesprächspartner mit ihrem durchdringenden Blick jederzeit aus der Fassung bringen.

Im Berufsleben stand er fest mit beiden Beinen. Er kletterte seit Jahren beharrlich die Karriereleiter hoch. Immer eine Stufe nach der anderen und erst dann, wenn er einen festen Stand erreicht hatte den nächsten Schritt. Andere waren schneller oben als er, konnten sich aber nicht lange halten. Torsten Biedermann war ein bedachter Stratege, der nichts überstürzen wollte und den Plan seines Lebens ruhig, aber bestimmt umsetzte.

Genauso, wie auf seine Karriere achtete er auf seinen Körper. Gesunde Ernährung, wenig Fleisch und Kaffee und Alkohol nur zu sehr wenigen Anlässen im Jahr. Dann auch nur in einer überschaubaren Menge und stets so wenig, dass er es am nächsten Morgen nicht bereute. Das dachte er zumindest von sich. Als er an jenem Samstagmorgen die Augen aufschlug schloss er sie auch sofort wieder. Der Morgen war zu hell. Mit Mühe brachte er es zustande das rechte Auge einen winzigen Spalt zu öffnen und sich zu orientieren. Er lag in seinem Bett. Soweit er sehen konnte war seine Frau bereits aufgestanden. Langsam drehte er seinen Kopf zur Seite um durch den winzigen Spalt, den sein rechtes Augenlid freigeben konnte, ohne dass ihn das Tageslicht zu sehr im Auge schmerzte, die Uhrzeit zu prüfen. Ein stechender Kopfschmerz zuckte durch seine Stirn. Reflexartig fasste er sich mit der Hand an die Schläfe und drehte den Kopf zurück in die Ausgangsposition. Der stechende Schmerz wanderte langsam von der Stirn nach oben um sich unter seinem Scheitel zu einem dumpfen Pochen zu entwickeln.

Biedermann lag eine Weile so da, bis er wieder einen Anlauf wagen konnte und neuerlich seinen, jetzt pochenden Kopf zur Seite zu drehen. Die Uhr war zu verschwommen um sie wahrzunehmen, also musste er sein Auge noch weiter öffnen. Die Schmerzen im Kopf nahmen zu, als die Sonne nicht mehr durch das Lid am Eindringen in das Auge gehindert wurde. Die Uhrzeit ließ ihn den Schmerz kurz vergessen und das zweite Auge zu Hilfe nehmen. Es war bereits früher Nachmittag. Dumpf hörte er das Lachen und Kreischen seiner Kinder im Kinderzimmer. Was für ein Klassentreffen, war das gestern. Die letzten fünf Jahre hatte sich niemand gefunden es zu organisieren, bis Torsten sich zusammen mit Alex dazu bereit erklärt hatten. Sie hatten sich in einem Restaurant getroffen und sich gut unterhalten. Schließlich hatten ein paar seiner alten Klassenkameraden den Entschluß gefasst noch in eine Bar zu wechseln und Torsten hatte sich überreden lassen. Ein schwerer Fehler. Nachdem er beim Abendessen bereits mehr Bier und Wein getrunken hatte, als er gewohnt war, ging es in der Bar mit Cocktails weiter. Die süßen Cocktails, die geschickt den Alkoholgehalt mit Fruchtsäften und Zucker verschleiern waren dann Biedermanns Verhängnis und die kleinen Brandmelder in seiner Kehle schrien aus vollen Hals. Er hatte einen Brand vom Feinsten, hämmernde Kopfschmerzen, sein Magen war flau und eine Müdigkeit saß ihm in den Knochen, dass er mehrere Tage durchschlafen könnte.

Fast lautlos öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer. Seine Frau warf einen vorsichtigen Blick auf ihren verkaterten Mann. Er überlegte kurz, ob er sich schlafend stellen sollte, oder zeigen sollte, dass er endlich ausgeschlafen war. Er entschied sich für die zweite Option und wandte den Kopf zu seiner Frau. Ein gequältes Lächeln auf den Lippen sah er sie mit seinen rot umrandeten blauen Augen an. Sie erwiderte sein Lächeln und setzte sich behutsam neben ihn an die Bettkante. Vorsichtig erkundigte sie sich, wie der Vorabend verlaufen war. Die Antworten kamen langsam und kaum hörbar, er bemühte sich aber redlich, seiner Frau die wichtigsten Details seiner vorabendlichen Feier zu vermitteln. Sie zeigte großes Verständnis und gab ihm Zeit, seine Sätze mühsam zu Ende zu bringen. Langsam wurde er klarer. Die Brandmelder schrillten unverändert und seine trockene Kehle brannte wie Feuer. Sein Mund war so trocken, dass er Probleme beim Sprechen hatte und die Zunge fast am Gaumen kleben blieb.

Nach ein paar Minuten fühlte er sich endlich soweit. Mühsam richtete er sich auf und stellte seine Beine neben dem Bett auf den Boden. Seine Frau lächelte ihn aufmunternd an und saß erwartungsvoll neben ihm auf der Bettkante. Biedermann sah sie verträumt an. Bei all den Schmerzen und Problemen, mit denen sein Körper gerade beschäftigt war, war er kurz vollkommen klar. Es war nicht selbstverständlich, wie sie sich ihm gegenüber verhielt und welche Toleranz sie an den Tag legte. Biedermann notierte sich geistig, dass seine Frau wieder einmal einen großen Strauß Blumen verdient hätte und gratulierte sich selbst dazu, so eine wunderbare Frau gefunden und geheiratet zu haben.

Sie lächelte ihn weiter an und wartete geduldig darauf, dass er klar genug war aufzustehen. Nach einigen Minuten war er auch dazu bereit. Unter hämmernden Kopfschmerzen richtete er sich auf, stablisierte sich dabei mit einer Hand am Bücherschrank und sammelte sich in dieser Position. Die Brandmelder in seiner Kehle schrien laut nach Flüssigkeit. Er schüttelte seinen Kopf um klarer zu werden und sah seine Frau an. „Ich liebe Dich“, brachte er heraus und schaffte dazu sogar ein kleines Lächeln.

Sie lächelte zurück und sagte: „Ich Dich auch Torsten. Schön, dass Du jetzt wach bist. Ich bin seit acht Stunden auf den Beinen und würde mich gerne mit der Kleinsten hinlegen und auch kurz Mittagsschlaf halten. Bitte schau solange auf die beiden Großen. Das Essen steht am Herd.“

Die Brandmelder in seiner Kehle bekamen Gesellschaft und in zahlreichen Körperregionen gingen kleine rote Lichter an. Er musste jetzt erst mal den Brand löschen.

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