Kinderalltag.de - Mein Mama-Blog

Kindliche Konflikte

Man lernt nicht für die Schule, sondern für das Leben. Das wussten schon die alten Römer und haben dieses bekannte Zitat in Latein für die Nachwelt hinterlassen. Aber auch ganz ohne Schule lernen die Kinder ständig. Von einem recht unbeweglichen kleinen Wurm, der außer Verdauen und Schlafen nicht viel kann, entwickeln sich Kinder innerhalb weniger Jahren zuerst zu kleinen naiven und später zu erwachsenen Menschen. Auf dem Weg dorthin lernen sie ständig dazu. Eines, was offensichtlich eine recht schwere Lektion ist, ist der Umgang mit Konflikten. Kindliche Konflikte laufen mitunter recht heftig ab und manchmal male ich mir aus, wie es wohl wäre, wenn auch wir Erwachsenen unsere Meinungsverschiedenheiten so direkt und impulsiv lösen würden.

Menschliche Evolution

Es war wohl am Anfang der Menschheit ziemlich gefährlich. Eigentlich ein erschreckender Gedanke, aber es ging wohl nicht nur um das Überleben der Stärksten, sondern auch darum, dass die Starken mit den Schwachen machen konnten, was sie wollten. War man körperlich unterlegen, dann hatte man wenig zu melden. Was man wollte, das nahm man sich. Zumindest, wenn man keine Angst vor dem haben musste, dessen Eigentum es eigentlich war. Ganz so schlimm ist es mit Kindern nicht. Die Erziehung sorgt dafür, dass sie durchaus wissen, was gut und schlecht ist und als Elternteil vermittelt man ihnen, nicht zuletzt durch das eigene Benehmen, Werte und ein moralisches Grundgerüst. Trotzdem sind Kinder keine Diplomaten.

Auge für Auge

Zumindest meine Kinder haben eine sehr klare Vorstellung von Gerechtigkeit. Diese orientiert sich am Grundsatz Auge für Auge, Zahn für Zahn. Als Mutter bin ich da etwas zwiegespalten. Einerseits lassen meine Kinder sich nichts gefallen. Sie fordern Gerechtigkeit, wenn sie ungerecht behandelt werden. Dass sie das dann auch mit allen Mitteln, also auch mit Gewalt durchsetzen, ist die andere Seite der Medaille und damit auch der Grund für meinen Zwiespalt. Klar will ich sie zu starken und standfesten Personen erziehen, die ihren Standpunkt vertreten und Benachteiligung nicht akzeptieren. Andererseits möchte ich aber nicht, dass sie sich am Schulhof prügeln.

Schulterschluss

Am Spielplatz hatte ich letzten Gelegenheit zu beobachten, wie meine drei Kinder mit einer Gruppe anderer Kinder umgehen, die Ärger suchen. Zu meiner Freude haben sich meine Drei geschlossen nebeneinander gestellt und den anderen Kindern zu dritt die Stirn geboten. Dabei haben sie sich nicht nur gegen das Verhalten der Kinder zur Wehr gesetzt, sondern sind unter der Führung der Ältesten auch zu deren Mutter gelaufen und haben sich dort beschwert. Das Problem war schnell gelöst. Ein gemeinsamer Feind, auch wenn das ein starkes Wort ist, vereint sie also. Ohne ein solches gemeinsames Ziel, verfolgen aber alle drei, zumindest teilweise, ihre eigenen Ziele.

Sandschlacht

Erst gestern gab es im Sandkasten Meinungsverschiedenheiten. Die Folge war eine Sandschlacht. Die Kleinen haben sich mehrer Hände voll Sand nachgeworfen. Haare, Kleidung und Schuhe haben entsprechend ausgesehen. Abgesehen davon, dass in unseren Wohnung der Weg von der Eingangstüre bis zum Bad Ähnlichkeiten mit einem Sandstrand hatte, kann so etwas auch ins Auge gehen. Aber ich kann meine Kinder ja schlecht mit einer Kinderschutzbrille ausstatten, wenn sie in den Sandkasten steigen. Besser ist also der Ansatz, ihnen beizubringen, ihre Konflikte auf anderem Weg zu lösen. Das ist aber garnicht so einfach.

Fair spielen

Einen Konflikt sollte man immer mit Vernunft lösen. Das Problem mit der Vernunft ist allerdings, dass man den Kürzeren zieht, wenn der andere eben nicht vernünftig ist. Ich beobachte das immer wieder bei meinen Kindern. Die Älteste ist einerseits aufgrund ihres Wesens und andererseits aufgrund ihres Alters sehr bemüht, Probleme zu lösen. Nur bedeutet das für sie einen großen Nachteil. Konkret heißt es nämlich, dass sie meistens nachgeben muss. Ich selbst ertappe mich auch immer wieder dabei, das von ihr zu erwarten. Schließlich trägt sie als Älteste viel Verantwortung und man kann einfach mehr Vernunft voraussetzen, als bei den Kleineren.

Handgreiflichkeiten

Ein Problem bei der Vernunft ist auch, dass die Vernunft direkt nach dem Affekt einsetzt. Auch bei der Ältesten kommt es noch manchmal vor, dass sie mal schlägt, tritt, oder schubst. Nur schaltet sie direkt danach den Verstand ein und geht in die Defensive. Meistens geht es um ihren Bruder. Der ist ihr nicht nur körperlich überlegen, sondern auch viel unvernünftiger. Der Rückschlag erfolgt also heftig, erbarmungslos und kraftvoll. Auch er wird immer ruhiger und beherrschter, je älter er wird, aber die Situation, in der meine Älteste ist, ist etwas, das ich komplett nachvollziehen kann. Auch mein Mann berichtet immer wieder von Kollegen, die sich einfach nicht an die Regeln halten. Damit kann man eigentlich nicht umgehen.

Regelbrecher

Vereinbart man in einer Gruppe etwas, dann sind diejenigen, die sich nicht daran halten, im Vorteil. Das klingt seltsam, aber es ist leider so. Sitzt man in einem Meeting und vereinbart, dass jeder die Hand hebt, wenn er etwas sagen will, dann hat der Mensch, der sich nicht daran hält und jeden seiner Beiträge einfach herausschreit, einen großen Vorteil. Stehen alle Menschen vor dem Buffet ordentlich in einer Schlange und warten geduldig darauf, ihr Essen zu bekommen, dann haben diejenigen, die von der anderen Seite kommen, oder sich einfach vordrängeln schneller etwas zu essen. Während alle im Stau stehen, kommen die, die am Standstreifen überholen, schneller von der Autobahn. Wer Verbote missachtet, hat Vorteile. Wer Regeln bricht, kommt schneller voran.

Mitgefühl

Was solchen Regelbrechern fehlt, ist das Bestreben, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Auch wenn ihnen der Erfolg recht gibt, schaden sie der Gesellschaft. Hat man mit all den anderen Menschen in der Schlange Mitgefühl und Verständnis dafür, dass sie auch schon lange warten und auch zuerst da waren, dann ist es ganz klar, dass man sich nicht vordrängelt. Denkt man nur an sich selbst und seinen eigenen Vorteil, dann bringt das kurzfristig mehr, als sich brav einzuordnen. Aber wir vermittelt man das einem Kind? Vor allem dann, wenn andere sich augenscheinlich falsch benehmen, ist es einem Kind nicht zu erklären. Läuft jemand bei Rot über die Straße und kommt unbeschadet auf der anderen Seite an, dann fehlen mir als Mutter die Argumente. Aus Sicht des Kindes ist es ganz klar und nachvollziehbar, dass es nur Vorteile bringt, bei Rot über die Straße zu laufen.

Grundeinstellung

Um meine Kinder zu guten Menschen zu erziehen, muss ich also an ihrer Grundeinstellung arbeiten. Es darf nicht nur das eigene Wohl im Vordergrund stehen. Man muss auch an all die anderen denken. Bei allem, was man tut, sollte man hinterfragen, ob andere davon einen Nachteil haben. Soweit so gut, aber auch das passt nicht auf alle Lebensbereiche. Bewerbe ich mich zusammen mit anderen um einen Job und bekomme ich die Zusage, dann bedeutet das, dass alle anderen ihn nicht bekommen. Kaufe ich ein gebrauchtes Fahrrad und verhandle mit dem Verkäufer solange, bis er den Preis um 20 Euro heruntersetzt, dann bekommt er weniger Geld. Das Leben besteht in vielen Bereichen aus einem Wettbewerb und speziell im Arbeitsumfeld muss man nun mal darauf achten, weiterzukommen.

Über Leichen gehen

Viele Führungskräfte und reiche, erfolgreiche Menschen haben eine recht schlechte Eigenschaft. Sie gehen über Leichen. Will man die eigene Abteilung, das eigenen Unternehmen weiterbringen, dann muss man sich von denen trennen, die schlechter arbeiten als andere. Man muss Menschen kündigen und die Konkurrenz ausstechen. All diese Entscheidungen bedeuten aber, dass man gegen das verstoßen muss, was die eigenen Eltern einem beigebracht haben. Mitgefühl, Nachgeben und das Lösen von Konflikten ist im Arbeitsleben nicht gefragt. Es wird dort auch nicht belohnt, sondern eigentlich bestraft. Wer zu nett ist, der bleibt auf der Strecke.

Doppelmoral

Gut, aber damit ist schon mal klar, dass unsere Wirtschaft und die Art, wie die meisten Unternehmen ticken, moralisch nicht einwandfrei ist. Als Mutter bringt mich das aber noch mehr in die Zwickmühle. Was soll ich den Kindern beibringen? Will ich, dass sie eines Tages ganz oben an irgendeiner Konzernspitze sitzen und kaltblütige Entscheidungen auf Basis von Zahlen und Fakten treffen, oder will ich versuchen, sie zu Menschen zu machen, die nicht zurückschlagen und andere nicht benachteiligen? Eigentlich will ich, dass meine Kinder wertvolle Mitglieder der Gesellschaft werden. Sie sollen empathisch sein und andere Menschen auch als solche verstehen und annehmen. Gleichzeitig will ich aber auch den Grundstein für ihren Erfolg legen.

Erfolgreich und nett

Das Leben ist leider nicht immer einfach und genauso schwer ist auch die Erziehung. Den Kindern die richtigen Werte mitzugeben ist schwieriger, als es für Außenstehende, oder auf den ersten Blick aussieht. Mein Ziel ist es also, dass meine Kinder keine leichten Gegner für Regelbrecher werden. Sie sollen im Meeting nicht still dasitzen und weiterhin die Hand heben, während andere ihre Wortmeldungen einfach dazwischen rufen. Sie sollen den Regelbrecher aber auch nicht anspringen und K.O. schlagen. Ich will, dass sie aufstehen und lautstark auf das Problem hinweisen. Ohne Angst sollen sie vom Moderator des Meetings verlangen, dass er seinen Job ordentlich macht. Sie sollen sich bei Vorgesetzten über Regelbrecher beschweren und Zivilcourage in allen Lebensbereichen zeigen. Ob in der Schlange am Buffet, oder sonstwo. Gleichzeitig sollen sie über solche Regelbrecher auch hinwegsehen können und zufrieden damit sein, dass sie es nicht nötig haben, die Regeln zu biegen. Ich finde es daher auch wichtig, dass sie lernen, ihre Konflikte auszutragen und sich durchzusetzen. Und wenn sie dafür Schutzbrillen brauchen und ich einmal mehr den Flur saugen muss, dann ist das auch OK für mich.

1 Trackbacks & Pingbacks

  1. Einfach einmal die Seele baumeln lassen - Kinderalltag.de - Mein Mama-Blog

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*