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Welche Reichweite hat ein Kind

Menschen jammern sehr gerne und damit meine ich ausnahmsweise nicht meine Kinder. Die jammern zwar auch gerne, aber es sind eben die Erwachsenen, die sich in ihren eigenen Problemen suhlen. Dabei ist das Leben doch gar nicht so schlimm, wie es mitunter scheint. Trotzdem gibt es viel auszusetzen und zu kritisieren. Da ist es die Inflation, die alles viel teurer macht und es vielen Menschen schwer macht, ihren Lebensstandard zu halten. Dort sind es globale Entwicklungen, wie das Klima, oder die verschiedenen Krisen, die ein Grund zum Jammern sind. Einer der liebsten Gründe der Menschen scheint momentan aber das Thema Elektroauto zu sein. Man merkt ganz deutlich, dass die Politik es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Zahl der Verbrennermotoren zu reduzieren und stattdessen auf Elektroantrieb zu setzen. Eine tolle Sache, wenn man im Nahbereich unterwegs ist. Viele Menschen wollen aber größere Distanzen mit dem Auto zurücklegen und dabei kann es mit dem Elektroauto schnell eng werden. Bei Reichweiten von wenigen 100 Kilometern und damit einem langen Tank- oder eigentlich Aufladestopp alle 2–3 Stunden muss man seine Reisen etwas anders planen, als früher. Das ist mit Kindern eventuell wirklich eine Herausforderung.

Jammern

Eigentlich will ich nicht jammern. Es ist schon eine gute Idee, weniger fossile Kraftstoffe zu verbrennen und damit die Umwelt weniger zu belasten. Die Diskussion darüber möchte ich hier auch nicht unbedingt führen. Es gibt sicherlich bessere Blogs und informiertere Blogger, die sich damit auseinandersetzen, ob Strom, so wie er aktuell erzeugt wird, wirklich besser für die Umwelt ist, ob die Herstellung der Akkus eine starke Belastung für die Natur ist oder nicht und ob tatsächlich genug Strom da ist, um all die Autos aufzuladen. Alles nicht meine Themen und ich möchte dazu auch nicht über meine Meinung diskutieren. Was ich zur Diskussion stellen will, ist die Autofahrt mit Kindern. Das ist in jedem Fall, zumindest bei meinen Kindern, eine Herausforderung. Auf der Rückbank werden Intrigen und Kleinkriege ausgetragen, oder dreistimmig gesungen. Also dreistimmig drei unterschiedliche Lieder, weil sie gerne ihre Kopfhörer tragen, um Musik zu hören. Eine durchschnittliche Autoreise mit meinen Kindern bedeutet für meinen Mann und mich eine starke nervliche Belastung. Will man es positiv formulieren, dann hat jede Urlaubsreise Sinn. Schließlich ist man bei der Ankunft auf jeden Fall urlaubsreif.

Wochenendhaus

Wir besitzen ein kleines Haus in Ungarn, in das wir an den Wochenenden und hin und wieder auch ein paar Tage mehr, mit dem Auto reisen. Das hat einige gute Gründe. Eine Anreise mit dem Zug wäre mit mehreren Umstiegen und einer unbeschreiblich langen Reisezeit verbunden. Vor Ort ist man ohne Auto sehr abhängig von den wenigen fahrenden Händlern, die sich in unser Dorf verirren. Nachdem wir auch einen Garten haben, bringen wir oft benötigtes Material und Werkzeug ins Haus. Die Reise dauert 2 Stunden und mit einer Tankfüllung kann man bequem anreisen, vor Ort jeden Tag einkaufen und zu anderen Zielen fahren und schließlich wieder heimfahren. Elektrisch wäre das wahrscheinlich schwierig und man müsste wahrscheinlich am zweiten Tag, also vor, oder während der Heimreise laden. Ein recht langer Stopp, der mit der ganzen Familie stattfindet und sicher Stress verursacht. Schließlich fahren wir meist am späten Nachmittag zurück, um den Tag noch ausnutzen zu können. Wir haben also auch Zeitdruck, weil Montag wieder ein Schultag ist. Alternativ kann mein Mann den letzten Tag dafür opfern, das Auto aufladen zu fahren. Er würde uns also am Samstagmorgen hinbringen, den Rest des Tages ausspannen, dann schlafen und am Sonntag nach dem Frühstück, statt den Tag bei uns zu verbringen, den Akku laden fahren. Im Haus fehlt uns jedes Vertrauen in die Elektroinstallation. Also würde er auf einen Tag Erholung verzichten müssen.

Urlaubsreise

Fahren wir in den Urlaub, sieht es noch schlimmer aus. Österreich ist zwar nicht groß, aber auf jeden Fall größer als die Reichweite eines Elektrofahrzeugs. Man muss also mit dem voll bepackten Auto mit 5 Personen einen ausgedehnten Zwischenstopp einplanen. Ich finde das entschleunigt und sorgt dafür, dass man sich für Reisen ausreichend Zeit nimmt. Es muss ja nicht nur darum gehen, von einem Ort zum anderen zu kommen. Es kann ja auch der Weg das Ziel sein, wie schon das Sprichwort sagt. Allerdings ist es doch von Vorteil, wenn man mit Kindern rasch das Reiseziel erreicht. In meinem Fall sitzen die Drei nebeneinander und können sich nicht aus dem Weg gehen. Sämtliche Spiele für Autofahrten sind gespielt und langsam kommt Langeweile auf. Das kann gut gehen, kann aber auch eskalieren. Die Chance, dass es Streit gibt, steigt exponentiell mit der Dauer der Reise. Was in der zweiten Reihe beginnt, dehnt sich dann oft auch auf die erste Reihe aus. Wir Erwachsene sind auch in einer angespannten Situation und schon genauso lange unterwegs, wie die Kinder. Kommt Unruhe auf, dann dauert es nicht lange, dass auch meinem Mann und mir der Geduldsfaden reißt und wir damit beginnen, zu schimpfen und zu ermahnen.

Eskalation!

Sind mein Mann und ich auf unterschiedlichen Stresslevels, dann ist das zusätzlicher Konfliktstoff. Klar bringt es nichts, lauter zu werden und die Kinder dauernd zu ermahnen, aber in so einer Ausnahmesituation kommt das mitunter vor. Ist dann einer von uns noch zurechnungsfähig, dann beginnt eine Diskussion zwischen den Eltern. Entspannt kritisiert Angespannt. Angespannt ist schon angespannt und die Zurechtweisung trägt wahrscheinlich nicht mehr zur Beruhigung bei. Man rechtfertigt sich, erklärt sich und schon ist man mitten in einer Diskussion zwischen den Eltern. Dazu geht es auf der Rückbank fröhlich weiter. Autofahrten sind unsere Achillesferse. Herrscht daheim dicke Luft und kommt jemand an seine Grenzen, dann verlässt er, oder sie die Situation. Einmal durchatmen, sich besinnen und schon kann man viel besser reagieren. Im Auto geht das nicht. Man ist auf engstem Raum, evtl. bei zu hohen Temperaturen in einer Sardinenbüchse eingepfercht und kann nicht ausweichen. Es gibt nun mal Konflikte und Meinungsverschiedenheiten. Die werden im Normalbetrieb ruhig und strukturiert abgewickelt. Jemand übernimmt die Rolle des Mediators und bring die Streitparteien an einen Tisch. Im Auto gelingt uns das leider fast nie.

Reisezeit

Der Faktor Reisezeit ist entscheidend für das Stresslevel im Auto. Daran ändern auch Zwischenstopps nicht. Die Reichweite von Kindern beträgt oft nicht einmal ein paar Kilometer. An normalen Tagen sind es aber zwischen 100 und 200 Kilometer. So lange kann man die „Wann sind wir da“ und „Bitte spiel dieses Lied…“ aushalten. Danach kippt die Stimmung. Den Kindern fehlt Bewegung und vor allem eine Rückzugsmöglichkeit. Außerdem sind sie ungeduldig. Sie wollen eigentlich schon ans Ziel, oder wieder nach Hause. Langeweile führt unweigerlich zu Problemen. Nach mehrfachen Reklamationen und Nachfragen beginnen sie sich mit ihren Sitznachbarn zu beschäftigen. War eines der Kinder noch nicht so weit, dann ist das der Moment, in dem auch das ruhigste Kind mit auf den Zug aufspringt. Es gibt Streit in der zweiten Reihe. Eine andere Sitzordnung ist schwierig. Ich kann mich in die zweite Reihe und ein Kind sich nach vorne setzen. Das ruft die anderen beiden auf der Plan. Sie würden sich ungerecht behandelt fühlen. Die dritte Sitzreihe ist bei solchen Reisen meist mit Gepäck blockiert, ist also auch keine Option. Die Sitzordnung in der zweiten Reihe ist fixiert. Die Jüngste will in der Mitte sitzen, die Älteste muss am Fenster sitzen und unserem Sohn ist es egal. Man könnte die äußeren beiden Plätze vertauschen, das ändert aber nichts am Problem.

Tankstopps

Die wenigen Tankstopps, die wir brauchen, sind schnell erledigt und bringen keine zusätzliche Unruhe mit sich. Wenn wir vielleicht eines Tages auf ein Elektroauto umsteigen, dann müssen wir 1-2 Stunden im, oder neben dem Auto warten. Das kann die Situation sicherlich entschärfen. Nur ist es eine recht lange Zeit und die Gegend rund um eine Ladesäule ist nicht immer kinderfreundlich. Es besteht also eine gute Chance, dass die Kinder, spätestens wenn sie wieder im Auto sitzen, bestenfalls dort anknüpfen, wo sie aufgehört haben. Ich denke, dass ihre Langweile gestiegen und ihre Reiselust gesunken ist. Es stellt für meine Familie also sicher ein Problem dar, wenn wir auf ein Elektroauto umsteigen. Sicher geht es anderen Familien ähnlich. Denke ich an die Tochter meines Mannes und ihre Familie, dann würde das für sie bedeuten, mit zwei Kleinkindern dort Zeit totzuschlagen. Beide würden sich sicherlich über die Zeit, außerhalb des Kindersitzes freuen. Nur muss man einem solchen kleinen Rabauken auch nachlaufen, wenn er das erste Mal seit zwei Stunden seine Beine wieder bewegen kann. Zu gefährlich wäre es, wenn er neben der Straße herumläuft. Also macht man während der Ladepause ordentlich Bewegung.

Elektrofamilienauto

Und da schließt sich der Kreis für mich. Elektroautos sind für Familien auf jeden Fall eine Herausforderung. Ein Glück, dass es eigentlich keine Familienautos mit Elektroantrieb gibt. Wir fahren einen Ford Galaxy, den mein Mann als Firmenwagen auch privat nutzt. Ein Siebensitzer, bei dem man die dritte Reihe im Boden versenken kann. Ein riesiger Van. Außerdem haben wir noch einen Anhänger für Härtefälle. Langsam gibt es erste Angebote an familientauglichen E-Autos, wie den VW ID.Buzz, aber insgesamt ist das Angebot sehr überschaubar. Speziell als Firmenwagen sieht es momentan schlecht aus, sagt mein Mann. Wir werden uns also wahrscheinlich darauf einstellen müssen, dass wir keine dritte Sitzreihe mehr haben werden. Aber da haben wir ja noch etwas Zeit. Familien, die heute ein passendes Familienauto suchen, haben bei weitem nicht dieselbe Auswahl, wie bei den Verbrennern.

Platz, oder Umwelt

Insgesamt ist das Elektro-Auto-Thema sehr schwierig. Man braucht eine Ladestation, gibt viel Geld für das Fahrzeug aus und nimmt weniger Platz und kürzere Reichweiten bei längeren „Tank“-Aufenthalten in Kauf. Aus Sicht der Familie klingt das eindeutig negativ. Vielleicht ist die Zeit auch einfach noch nicht reif dafür, dass Familien die Elektromobilität erobern. Das Angebot an Fahrzeugen, richtet sich entweder an Einzelpersonen, oder an Unternehmen. Es gibt viele kompakte Fahrzeuge und viele mittelgroße E-Autos, die ideale Firmenwägen sind. Für Reisegruppen mit mehr als 3 Teilnehmer bietet sich aktuell noch der Verbrenner an. So traurig es klingt. Vielleicht sind auch die Provider der Ladesäulen gefordert, neben jede Leadstation einen kleine Spielplatz zu bauen? Ich habe dazu keine wirkliche Lösung. Ich weiß nur, dass ich mich aktuell noch nicht auf die erste längere Fahrt im Elektroauto freuen kann. Aber vielleicht ändert sich das ja noch. Mal sehen.

1 Comment Posted

  1. Liebe Andrea, danke für deinen spannenden Artikel. Das Autofahrt-Thema kenne ich von uns. Da wir im Rheinland wohnen und gerne an der See Urlaub machen, kommen wir mit 2-3 Stunden Richtung Holland oder deutsche Nordseeküste gut aus. Einen größeren Zwischenhalt auf dem Weg machen wir jedoch immer. Dann können die Kinder spielen und wir essen gemeinsam. Herausfordernd ist aber die lange Strecke zum Beispiel runter nach Bayern. Da überlegen wir schon, ob wir zwei Etappen draus machen, um den Familienfrieden zu wahren. Das kostet natürlich mehr Geld, wenn du eine zusätzliche Nacht einplanst. Und Urlaub ist ja so schon teuer.

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